Von Andreas Zippel
Liest man sich durch die Feuilletons der letzten Jahre, so taucht immer wieder der Begriff der „Generation Praktikum“ auf. Damit ist gemeint, dass immer mehr AbsolventInnen nach Ihren Berufs- oder Studienabschlüssen nur noch von einem Praktikum ins nächste hüpfen, um motivationsgeladen 150% Arbeitseinsatz zum Preis von 50% zu geben. Ist ja im Schnitt 100%… irgendwie. Nun möchte man meinen, das betrifft sowieso nur die „Orchideenfächer“ wie Religions- oder MedienwissenschaftlerInnen, LinguistInnen oder PhilosophInnen – selbst schuld, wenn man sich nicht kommerziell ausbeutbaren Berufen hingibt. Aber weit gefehlt, selbst in der letzten Bastion stoischen Sicherheitsdenkens ist dieser Trend schon angekommen: in unserem Staatsdienst!
Zählt man alle Schularten zusammen, so gab es im Jahr 2016 laut Angaben des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) fast 7.000 befristete Arbeitsverhältnisse für LehrerInnen in Bayern, was immerhin 6,2% aller LehrerInnen ausmacht. Diese LehrerInnen werden im besten Fall mit Jahresverträgen versehen, die immerhin für einige Monate den Fieberwahn der Unsicherheit, wie es mit dem Leben weitergehen soll, ausmerzen. Es handelt sich hierbei vor allem um BerufsanfängerInnen, mobile Reserven und VertretungslehrerInnen, also die klassischen Lückenbüßer bildungspolitischer Fehlplanung. Schon allein diese Entwicklung sollte einem die Haare zu Berge stehen lassen: Den wilden Unkenrufen der RektorInnen zum Trotz, man bräuchte für einen individuell zugeschnittenen, modernen, inkludierenden Unterricht dringend mehr qualifiziertes festes Personal, setzt unsere Landesregierung die Wolpertingerfeder nur zu gern zur Unterschrift unter dem befristeten Vertrag an. Wehe dem, der darin Irrsinn sieht! Wehe dem, der daran erinnert, wie sehr es die Psyche belastet, nicht zu wissen, ob sich die Ausbildung gelohnt hat, man seinen Job wiederbekommt, ob man finanziell planen könne, wer der nächste Arbeitgeber ist und nicht einmal zu wissen, was und ob man eigentlich im nächsten Jahr unterrichtet?
Charmant dabei: Gehört man zu denjenigen, die immerhin eine Ein-Jahres-Leibeigenschaft angedient bekommen, darf man sich schon glücklich schätzen. Wieso, fragt man sich? Weil der Staat in seiner grenzenlosen Weisheit erkannt hat, dass unser liebes Lehrerlein ja nur während der Unterrichtszeit produktiv ist und ansonsten nur auf Malle in der Sonne anbratend dem Freistaat auf der Tasche sitzt. Ergo endet der befristete Vertrag dann auch erstmal pünktlich zum alljährlichen Sommerferien-Debüt und beginnt erst neu in den herbstlichen Gefilden. Betroffen sind hiervon vor allem VertretungslehrerInnen und HalbjahreswechslerInnen, die mitten im Schuljahr eingesetzt werden. Wer würde denn nicht am ersten Tag der Sommerferien erstmal einen netten Plausch mit der geliebten Sachbearbeiterin vom Arbeitsamt führen? Man hat sich ja schon so lange nicht mehr gesehen, erst zu den letzten Sommerferien, was seitdem alles passiert sei, Mensch na. Ganze 860 unfreiwillige ArbeitsverweigererInnen hatten sich 2017 daher offiziell arbeitslos melden müssen, Dunkelziffer deutlich höher, aber naturgemäß unbekannt – ist doch toll, kann man die Ferien wenigstens mal ausschlafen und der Staat spart sich ein paar Milliönchen an Sozialabgaben und Urlaubstagen. Sozial und Bayern hat ja sowieso nicht nie so wirklich zusammengepasst… diese ganze links-grün versiffte Denke, man hört den bayerischen Obervogel sich schon im Grabe wenden.
Das Schlimme bei all dem ist, dass wir hier von Menschen reden, denen wir das Herz und die Zukunft unserer Gesellschaft anvertrauen: unsere Kinder! Wie will ich Betroffenen denn ernsthaft erklären, nun mit Herzblut dabei zu sein, um noch den hinterbliebensten Hansel und die chaotischste Gretel, die beide ganz bestimmt super hochbegabt sind und nur noch nicht zu sich gefunden haben, zu unterrichten und sich damit auch noch mit Ihren Helikoptereltern samt justiziablem Beistand herumzuschlagen? Oder ganz plump gesagt: Wollen wir wirklich bei dieser Haushaltslage gerade bei unseren LehrerInnen sparen? Wollen wir die Motivation junger PädagogInnen wirklich mit einer Befristung brechen?
In diesem Sinne ein Prost auf die nächste Generation Praktikum: Jetzt auch in Ihrer Schule! Laktosefrei, integriert und ohne künstliche Zusätze. Ganz bestimmt.
Weiterführende Links:
https://www.bllv.de/vollstaendiger-artikel/news/ohne-referendariat-vor-die-klasse-1/
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